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Erinnerungen an Andreas Seidler

 
 
geb. 25. Mai 1957     -     gest. 12. November 2023
 
 
Am 02.12.2023 fand im zweiten Zuhause von Andreas, der Sporthalle, eine Gedenk- und Erinnerunsfeier statt.
 
 
Nachruf des Vereins SC Eintracht Berlin Abteilung Tischtennis auf Andreas Seidler
 
 
Liebe Juanita, liebe Familie von Andreas, liebe Freunde, liebe Eintracht-Gemeinschaft

so hatten wir uns das mit der Rückkehr von Andreas in unsere Halle nicht gedacht. Es war ja in den letzten Monaten kaum ein Trainingstag vergangen, an dem hier nicht sein Name fiel. Irgendeiner sprach immer vom Präsi, vom Langen, von Mutti, von Schecke – Andreas hatte viele Namen im Verein, einfach, weil jeder von uns eine Beziehung zu ihm hatte. Und jeder sagte auf seine Art: Er fehlt, es wird Zeit, dass er hier wieder über irgendwelchen Papieren sitzt, dass er irgendeine Mitteilung ans schwarze Brett heftet, dass er vor allem an der Platte wieder mit seinen langen Armen die unmöglichsten Bälle zurückbringt und dabei sein Schlachtruf die Hallenwände zittern lässt. Dass dies nicht mehr sein wird, dass er nie wieder in seiner unnachahmlichen Art die Players Night für eröffnet erklärt, dafür fehlen die Worte. Und trotzdem hat er es verdient, dass wir sie für ihn finden.

Ohne Andreas ist die Halle noch immer undenkbar. In 26 Jahren ist er zum Zentrum, zur Seele des Vereins geworden. Dafür wollen wir uns auch bei Dir, liebe Juanita, und der ganzen Familie, bedanken. Ihr ließt ihn machen. Dass wir heute mit Ihnen zusammen hier – wie sie es selber sagen - in seinem zweiten Wohnzimmer an Andreas denken, das würde ihn freuen.

Und, so traurig der Anlass auch ist, es freut auch uns. Es war ein bisschen wie beim Hase- und Igel-Spiel. Wann immer man in die Halle kam, Andreas war schon da. Er hat das Tischtennis wahrscheinlich wie kein Zweiter von uns geliebt und gelebt. Keiner hat sich wohl so euphorisch gefreut und so intensiv gelitten an der Platte. Sein Triumphschrei über einen besonders gelungenen Ball und sein aus tiefster Brust gestöhntes „Och nöö“ über eine vergebene Chance sind seit 1997 Markenzeichen des Vereins.

Sein bester Freund Ralle erinnert sich, wie sie damals sozusagen im Familiendoppelpack mit den Kindern in die Bausdorfstrasse kamen. Zuvor hatten sie bereits im Block am Feldberger Ring, wo sich die beiden Nachbarn eine Platte in den Hof gestellt hatten, ihre Privatmeisterschaften ausgetragen. Die Bewohner riefen genervt „Mittagsruhe“ aus den Fenstern, der noch ungeschliffene Rohdiamant von der Rostocker Ostseeküste und der Bautzener Stadtmeister aber prügelten in jeder freien Minute auf Ball und Platte ein. Jungspund Ronny, der ebenfalls um die Ecke wohnte, kam ab und an mit dazu. Er spielte schon bei der Eintracht. Seinem schon damals feinen Händchen haben wir es mit zu verdanken, dass die beiden bei uns landeten. Eigentlich wollten die Alten ja nur ihren Sprößlingen das Tischtennis schmackhaft machen. Nun ja, die Mädels hatten Besseres vor. Aber Andreas und Ralf duellierten sich fortan in einer der Hallenecken. Der Centercourt war ihnen noch verwehrt. Aber als sich unser heutiger Ehrenpräsident Willy und Gerd Carius der beiden Neuen mit den Worten „Hey ihr Wasserpfeifen, wollt ihr mal gegen richtige Gegner spielen“ erbarmten, war die freundliche Aufnahme in die Eintracht-Familie endgültig vollzogen.

Kurze Zeit später gehörten beide schon zur fidelen Senioren-Reisegruppe, die sich seit der Jahrtausendwende in unterschiedlichster Besetzung alljährlich zu WM- und EM-Meisterschaften in die weite Welt aufmachte. Karin, Klaus und Doris berichten von der ersten gemeinsamen Reise 2000 in Kanada. Sie kannten den Langen noch kaum. Aber unterwegs durch die Rocky Mountains wurde er für sie dank seiner wunderbaren Gabe, mit scheinbar kleiner und doch so einnehmender Geste auf jeden zugehen zu können, schon zur Mutter der Kompanie. Als noch im selben Jahr der Verein plötzlich führungslos war, fiel in Krisensitzungen schnell sein Name. Obwohl er erst drei Jahre dabei war, gehörte er schon ganz selbstverständlich zum Kern. Andreas fühlte sich durch das Vertrauen geehrt, er wollte gern Verantwortung übernehmen und verwies aber auch darauf, dass ihm die große Bühne nicht behagt, er lieber im Hintergrund wirkt. Er brachte selbst in einem der vielen Gespräche über die Zukunft des Vereins auf dem Balkon bei Reinhard die Idee von der Eintracht-Doppelspitze mit Willy ein. Zusammen wurden die beiden für rund zehn Jahre zu einem aufeinander eingespielten Duo.

Andreas fuchste sich als Stellvertreter und stiller Macher in die eher ungeliebte Bürokratie ein. Ganz in seinem Element aber war er, wenn er unter uns Sportlern war, wenn er jung und alt zusammenbringen konnte. Es gehörte zur Tradition seiner Mannschaft mit Ralle, Matze und dem Coach Carsten als Kern, dass immer ein Jugendlicher mit ins Team geholt wurde. Es war ihm eine Herzenssache, sie zu fördern und ihnen den „Feinschliff bei Mutti“ zu verpassen, wie er es grinsend nannte. Die beiden Felixe, Tobias, Alex sind nur einige von ihnen, die heute in unseren oberen Mannschaften spielen. Mit dem noch blutjungen Felix Dembowsky hat er zum Beispiel allen anderen Spitzenduos des Vereins die Show gestohlen und die Eintracht-Doppelmeisterschaft gewonnen. Zur guten Sitte dieser Mannschaft gehörte es auch, dass sie sich zum Saisonabschluss zur Gartenfeier bei Carsten versammelte. „Mannschaftsbesprechung bei den Mahlsdorf Tigers“ hieß das im verschmitzt präsidialen Andreas-Jargon. Auch als Ersatzspieler und mit 0,0 Punkten Anteil am Saisonergebnis war man da ausdrücklich eingeladen. Und von Andreas gab es für jeden ein dankendes, anerkennendes Wort samt einem kleinen Präsent. Mutti kümmerte sich halt. Seine Geburtstagsgrüße an alle und jeden sollten legendär werden – ob er sie nun von der Skipiste, der Gondel in den Gärten der Welt oder sonst wo versendete, er vergaß keinen.

Andreas konnte aber nicht nur die kleine Runde. Zunächst mit Willy und später dann, als sich Willy in den Ruhestand und nach Polen verabschiedete, ab 2011 selber als „Präsi“ führte er den Verein, bzw. genauer gesagt die Abteilung Tischtennis, mit dem wachen Blick fürs Ganze. Unter seinen Fittichen wuchs die Eintracht in den letzten gut zehn Jahren sowohl in der Breite als auch in der Spitze. Freizeitspieler um Volker, Zhu und die anderen waren genauso willkommen wie die Neuenhagener um Stephan, Maik, Guido und alle weiteren, die bei uns eine neue Heimstatt suchten und fanden. Andreas war immer auch für Veränderung offen. Er wusste, dass die Oberliga-Damen um Viola, Carola, Heike, Conny und Doreen den Verein bereichern würden. Er stellte sich selbst gern als Fahrer in ihre Dienste, weil es ihm gefiel, dass das Spiel in den Eintracht-Trikots generell auf ein neues Niveau gehoben wurde.

Als Bernhard in Porec Senioren-Weltmeister wurde, hatte Andreas auf der Tribüne Tränen in den Augen. Er konnte sich so kindlich freuen und zwar nicht nur über den eigenen gelungenen Ball, sondern auch über den Erfolg und den Fortschritt von jeder und jedem. Andreas war der größte Förderer und der größte Fan seiner geliebten Eintracht. Dafür machte ihn der Gesamtverein 2017 auch zu seinem Ehrenmitglied. Wer wenn nicht er?! Und dabei konnte Andreas, so unaufgeregt und geräuschlos er als Abteilungsvorsitzender auch agierte, als Spieler an der Platte durchaus auch ein angsteinflößendes Urvieh sein. Wenn er in Erwartung des gegnerischen Anschlags tief in die Hocke ging und die Arme ausbreitete wie ein Sumoringer, lag pure Leidenschaft und Elektrizität in der Luft. Er konnte den Spin derart in den entlegensten Winkel hinter der Platte zirkeln, den hätte er selber nie und nimmer gekriegt. Und er hat wahrlich so manchen Ball herausgefischt. Aber auch wenn ihm ein Gegner den Ball gnadenlos um die Ohren haute, rief er voller Bewunderung: „Schön!“

Der Lange war ein Sportsmann durch und durch. Er konnte die Brust breitmachen und er konnte die Leistung des Kontrahenten anerkennen. Er war ehrgeizig, besser werden, das war für ihn auch jenseits der 50 oder 60 eine ganz selbstverständliche Option. Mit Lothar bereitete er sich im Frühjahr 2022 akribisch auf das Doppelturnier der Senioren-WM in Rimini/ Italien vor. Er wollte was reißen. Während viele von uns als Tischtennis-Touristen zu den internationalen Turnieren unterwegs waren, setzte Andreas sich immer auch sportliche Ziele. Er liebte diese Meisterschaften, von denen er seit Kanada kaum eine ausließ. Manchmal war er so aufgeregt, da brachte er das Kunststück fertig und fabrizierte gleich fünf, sechs Fehlaufschläge in einem einzigen Satz. Dann grummelte er ein paar Worte der Enttäuschung in sich hinein und zog erstmal von dannen. Wenig später stand er wieder mitten drin, um die anderen anzufeuern. Es freute ihn, wenn wir auf den Vereins-, Jugend- und Seniorenfahrten in ganz großer Truppe aufschlugen. Esbjerg, Mettingen, Liberec – sportliche Ambition und Geselligkeit, das war für Andreas Vereins-DNA. Dass ihm dabei auch mal ein Auto abhanden ging, nahm er mit hanseatischer Gelassenheit zur Kenntnis. Die gute Laune ließ er sich dadurch nicht vermiesen.

Unvergessen die lange Gartentafel von Porec, an der wir dank seiner Organisation zusammen mit den tschechischen Freunden aus Trutnov um Karel, Peppi, Radek in bunter durchmischter Runde viele Abende zusammensaßen. Die besondere Freundschaft, die unsere beiden Vereine verbindet, ist vielleicht sein liebstes Tischtennis-Kind geworden.

Wenn er von Trutnov sprach, wenn wieder Besuche dies- und jenseits der Grenze anstanden, dann leuchteten seine Augen und viele von uns haben sich von dieser Begeisterung anstecken lassen. Dass Katrin und Radek sogar ihr gemeinsames persönliches Glück gefunden haben, das gehört zu den schönen Geschichten des Lebens, an denen Andreas mitgeschrieben hat.

So hat es unser Präsi hingekriegt, dass in einem Verein mit über 140 Mitgliedern wohl jeder seine ganz eigene persönliche, im besten Sinne warmherzige Verbindung mit ihm hatte.

Andreas kommt nicht mehr in die Halle, aber er ist und bleibt immer hier.

 
 

Verfasser: Torsten Müller

 

 
 

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Last Update: 03.12.2023

   

Verantwortlich: Ralf Schemmel

E-Mail: Ralf.Schemmel@scebtt.de